BBleistiftskizze einer Rückansicht einer nackten Frau und eines Drachens
Wissenswertes

Achtung, wissenschaftliche Studie!

„Es gibt eine Studie, die beweist…“ – „Wissenschaftler haben herausgefunden…“ – „Wie folgende Studien belegen…“

Solche oder ähnliche Sätze begegnen uns täglich.

In diesem Beitrag möchte ich dazu anregen, das nächste Mal, wenn du solche Worte liest, etwas genauer hinzuschauen. Denn nicht alle Berichte über Studienergebnisse halten, was sie versprechen.

Insbesondere gilt das auch für Forschung im medizinischen Bereich.

Bitte nicht missverstehen – ich habe nicht nur auf dem Papier Biologie studiert, ich war und bin überzeugte Naturwissenschaftlerin.

Wenn ich mich genauer über ein Thema informieren möchte, schaue ich mir oft einige wissenschaftliche Studien dazu an.

Ohne die moderne wissenschaftliche Methodik würde unser Leben ganz anders aussehen. Wir wüssten nicht einmal einen Bruchteil über unseren Planeten oder über unseren Körper. Ich würde auch ganz sicher keinen Blog schreiben können, denn es gäbe kein Internet und keine Computer.

Wissenschaftliche Studien sind extrem wichtig. Nicht jede Einzelne für sich (wenige „spektakuläre Durchbrüche“ ausgenommen). Sondern der gesamte Prozess, wobei durch Versuch und Irrtum immer mehr Wissens-Puzzleteile entstehen, auf die andere Forscher*innen aufbauen können.

Gerade weil mir Forschung viel bedeutet, ist es mir wichtig, mehr darüber zu erfahren, was einzelne Studien überhaupt aussagen und was die Grenzen ihrer Aussagekraft sind.

Leider wird dies zugunsten der besseren Lesbarkeit und des Sensationswertes auch von Wissenschaftsjournalist*innen oft vernachlässigt.

Inhalt

Warum es für uns besonders wichtig ist, Studienergebnisse richtig einzuschätzen
Häufige Probleme: Interessenskonflikte und irreführende Schlussfolgerungen
Behandelnde Ärzt*innen und wissenschaftliche Studien
Mein Fazit

Warum es für uns besonders wichtig ist, Studienergebnisse kritisch zu lesen

Wenn du wie ich seit Jahren mit langwierigen Symptomen zu kämpfen hast, und dir Ärzt*innen bisher nur begrenzt helfen konnten, hast du dich wahrscheinlich auch schon selbst auf die Suche gemacht.

Das bedeutet heutzutage meist: Im Internet recherchiert (ich verwende jetzt bewusst nicht das G-Wort, das viele als Synonym für Hypochondrie und eingebildete Erkrankungen sehen).

Meiner Erfahrung nach ist im Internet alles versammelt: Von komplettem Unsinn und Falschinformationen bis hin zu hochwertigen, gut recherchierten Beiträgen und vor allem ein Erfahrungsschatz, den wir nirgends sonst finden können.

Auch Gesundheitsblogs und andere Websites, auf denen die verschiedensten Produkte für mehr Wohlbefinden verkauft werden, gibt es unzählige.

Die meisten von ihnen (zumindest diejenigen, die sich einen etwas seriöseren Anschein geben) belegen ihre Artikel zur Wirksamkeit der Produkte mit zumindest einer „wissenschaftlichen Studie“.

Leider ist es aber weit verbreitet, Studien zu zitieren, ohne zu hinterfragen, wie aussagekräftig die Ergebnisse sind. Das kann zu falschen Annahmen und irreführenden Heilungsversprechen führen.

Gerade für uns, die wir nicht nur aus Interesse oder aus Wellness-Gründen recherchieren, ist das problematisch.

Es geht für uns bei der Entscheidung für oder gegen Therapieversuche, Nahrungsergänzungsmittel oder alternativmedizinische Verfahren um unsere Gesundheit. Manchmal sogar um Leben und Tod. Oder zumindest darum, wie wir unser oft knappes Budget einteilen.

Häufige Probleme: Interessenskonflikte und irreführende Schlussfolgerungen

Im Interesse der Forschung ist es natürlich, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Es ist aber extrem schwierig, diesem Ideal ganz neutral verpflichtet zu bleiben: Jede*r Wissenschaftler*in möchte gern die eigenen Annahmen durch die Forschungsergebnisse bestätigt sehen.

Dadurch kann es auch unbewusst zu einer Verzerrung („bias“) der Studie kommen. Noch schwerer wiegt das Problem, wenn finanzielle Interessen ins Spiel kommen: Da Hersteller von Medikamenten ihre Studien überwiegend selbst durchführen, kommt es immer wieder zu Unregelmäßigkeiten.

Ein weiteres Problem ist die Interpretation der Studie. Wenn die Daten korrekt sind, ist das schon sehr gut – Je nach Art der Auswertung können aber die gleichen Daten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Auch die Ergebnisse an sich können durch die Autor*innen der Studie widerum anders interpretiert werden, als durch neutrale Beobachter.

Oft werden auch fälschlicherweise Studien zu einem Artikel zitiert, die eigentlich etwas ganz anderes Aussagen.

Es ist also leider nicht immer so, dass einer Aussage vertraut werden kann, wenn sie mit einer Studie belegt wird.

Behandelnde Ärzt*innen und wissenschaftliche Studien

Warum genügt es nicht immer, wenn wir im Zweifelsfall einfach unsere Ärztin oder unseren Arzt dazu befragen?

Es macht natürlich Sinn, deine Fragen mit deinen behandelnden Ärzt*innen zu besprechen. Sie haben meist wichtige Erfahrungswerte, und es gibt viele Mediziner*innen, die sich richtig gut mit der aktuellen Forschung zu ihrem Spezialgebiet auskennen.

Viele lesen aber eher selten, wenn überhaupt, wissenschaftliche Studien. Ihnen fehlt einfach die Zeit, manchmal leider auch das Interesse. Im besten Fall informieren sich Ärzt*innen regelmäßig in Fachmagazinen über neue Entwicklungen.

Diese Magazine sind leider meist nicht finanziell unabhängig. (Ein positives Beispiel ist das werbefreie Arznei-Telegramm.)

Im Medizinstudium geht es vor allem darum, extrem komplexes Wissen über den menschlichen Körper und über Krankheiten zu lernen, das Gelernte für die Diagnosestellung anzuwenden – und natürlich um die praktische Behandlung von Patienten.

Das wissenschaftliche Arbeiten an sich macht im Vergleich zu naturwissenschaftlichen Studiengängen einen geringeren Anteil aus. Deswegen haben Ärzt*innen meist nicht so viel Erfahrung damit, Studien zu interpretieren.

Ich persönlich hinterfrage inzwischen Aussagen von Ärzt*innen zu Therapiemethoden und Medikamenten, und recherchiere lieber nochmal selbst bevor ich mich entscheide. Hilfreich ist es dabei meiner Erfahrung nach, im ärztlichen Gespräch zurückhaltend und sachlich meine Bedenken und selbst entdeckte Informationen zu besprechen.

Mein Fazit

Einleuchtend oder vielversprechend klingende Ergebnisse gelten schnell als sichere Wahrheit, egal wie dürftig die Studienlage und das Verständnis komplexerer Zusammenhänge sind.

Es gibt aber eine Vielzahl möglicher Fehlerquellen und Einschränkungen in der Anwendbarkeit der Ergebnisse.

Es soll nicht der Eindruck entstehen, ich würde der Forschung oder gar Wissenschaftler*innen generell misstrauen. Alle, mit denen ich zusammengearbeitet habe oder die ich jetzt noch persönlich kenne, haben überaus hohe Ansprüche an ihre Arbeitsweise und an wissenschaftliche Integrität.

Wissenschaftliche Studien sind außerdem unsere einzige Möglichkeit, objektives Wissen über die Wirksamkeit von Medikamenten und anderen medizinischen Maßnahmen zu erlangen.

Manche sagen: Aufgrund der nicht absoluten Zuverlässigkeit und des Missbrauchs wissenschaftlicher Verfahren sollten wir diese gar nicht mehr als wichtig ansehen. Das kann ich nicht unterstützen.

Häufig werden solche Aussagen durch überzeugte Vertreter von Verfahren und Mitteln gemacht, deren Wirksamkeit (noch) nicht durch wissenschaftliche Studien gezeigt werden konnte. Es scheint mir in diesen Fällen eher eine „Angriff ist die beste Verteidigung“-Strategie zu sein.

Auch in diesem Fall sollte meiner Meinung nach offen und ehrlich mit der mangelnden wissenschaftlichen Beweislage umgegangen werden. Denn auch Erfahrungen ohne Studien können wertvoll sein.

Ich finde, wir sollten allgemein besser über die Aussagekraft und auch über Einschränkungen von Studienergebnissen aufgeklärt werden.

Selbst zu entscheiden, zu hinterfragen und zu recherchieren kann auch eine Last sein. Wir tragen jedoch selbst die Verantwortung für unsere Gesundheit und unser Leben. Fachmenschen wie Therapeut*innen, Ärz*innen, Heiler*innen können eine wichtige Begleitung sein, aber sie stecken nicht in unserem Körper.

Umso wichtiger ist es für uns, Probleme und Bedenken auch bei unseren Ärzt*innen klar benennen zu können und gemeinsam kritische Punkte zu besprechen.

Meine Empfehlung: Benutze deinen gesunden Menschenverstand, dein ganzes Wissen und deine Erfahrung. Hinterfrage auch mal sehr überzeugend klingende Aussagen. Und höre auch auf deinen Körper und dein Bauchgefühl. Das alles ist wichtig.

Nächste Woche erscheint mein Artikel über „11 Gründe, warum du Studienergebnisse kritisch betrachten solltest“: Dort gehe ich ausführlich darauf ein, welche Probleme es bei der Durchführung und Interpretation von wissenschaftlichen Studien geben kann und worauf du bei der Bewertung einer Studie achten kannst.

Zum Weiterlesen

11 Gründe, Studienergebnisse kritisch zu betrachten

Der tiefe Fall eines Ernährungspapstes (Artikel bei Spektrum der Wissenschaft)

Gleiche Daten, anderes Ergebnis (Artikel bei Spektrum der Wissenschaft)

Fakten – Wahrheit und Evidenz in der Wissenschaft (Kombipaket mehrerer Artikel bei Spektrum der Wissenschaft für 4,99 Euro)

Kritische Bücher von Ben Goldacre (Amazon-Link zu den Büchern)

Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität: Wie die Pharmaindustrie unser Gesundheitswesen korrumpiert. Peter C. Gøtzsche (Amazon-Link zum Buch)

PDF-Datei: Fach-Beitrag für Ärzt*innen – kritisches Lesen wissenschaftlicher Artikel

(Ich verdiene nichts an den Links, sie sind nur für weiteres Recherchieren und Nachlesen gedacht).

Anmerkungen, Anregungen, Kritik? Deine Kommentare zum Artikel sind sehr willkommen.

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